Als Mitte der 80’er Jahre der Chaos Computer Club die Hackerethik von Steven Levy um zwei neue Punkte erweiterte, waren diese wesentlich von den Idealen und Vorstellungen Wau Hollands geprägt. “Öffentliche Daten nützen - private Daten schützen” entwickelte sich in den nachfolgenden Jahrzehnten zu den Kernthemen der politischen und technischen Aktivitäten des CCC. Dieser Kampf um Informationsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung wurde nach dem frühen Tod von Wau auch zum Hauptanliegen der Stiftung, die seinen Namen trägt.
Während informationelle Selbstbestimmung als Grundrecht schon 1983 vom Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil festgeschrieben wurde, blieb die Informationsfreiheit im gesellschaftlichen Diskurs bis heute ein umstrittenes Feld. Von dem Ideal einer freien Gesellschaft, in der alle Menschen uneingeschränkt Zugang zu den Informationen haben, die sie betreffen, sind wir immer noch so weit entfernt wie vor 35 Jahren. Das “Informationsfreiheitsgesetz” von 2006 ist tatsächlich eher ein Feigenblatt, hinter dem auch weiterhin die Geheimniskrämerei von Staat, Industrie und einflussreicher Gruppierungen betrieben wird.
In diesem Sinne ist es ein Armutszeugnis, dass die Transparenz gesellschaftlich relevanter Prozesse oft nur durch die mutige Entscheidung von Whistleblowern hergestellt werden kann, die Dokumente aus dem Dunkel des Geheimnisses ans Licht der Öffentlichkeit bringen. Ohne das Leaken der Pentagon-Papier durch Daniel Ellsberg wüsste die Öffentlichkeit bis heute weniger über die Hintergründe des Vietnam-Krieges, ohne das Leaken von Dokumenten durch Chelsea Manning weniger über die Vorgänge im Irak und Afghanistan und ohne das Leaken von Dokumenten durch Edward Snowden weniger über die globale Überwachungs-Maschine der Geheimdienste.
Aus diesem Grund war es für die Wau Holland Stiftung selbstverständlich, schon ab 2009 Spenden für WikiLeaks zu sammeln. Für die Stiftung besteht der Zweck von WikiLeaks in der Bereitstellung einer sicheren Plattform für die anonyme Einsendung und die Veröffentlichung von relevanten geleakten Dokumenten.
Die Notwendigkeit und der Nutzen einer solchen Plattform für eine informierte Gesellschaft wird von der Wau Holland Stiftung auch heute noch ausdrücklich bejaht. Die Stiftung verwendet seitdem Spenden für Wikileaks-Veröffentlichungen, wenn die Spende als für die Arbeit von Wikileaks bestimmt gekennzeichnet ist. Neben WikiLeaks unterstützt die Stiftung finanziell auch andere Projekte im Bereich “Informationsfreiheit”, unter anderem die Plattform “Frag den Staat”.
Als WikiLeaks Ende 2010 begann, die Botschaftsdepeschen aus dem Leak von Chelsea Manning zu veröffentlichen, wurde der Wau Holland Stiftung das PayPal-Spendenkonto gesperrt und durch das Finanzamt Kassel die Gemeinnützigkeit für 2011 entzogen. Trotz dieser Vorgänge hat die Stiftung die Unterstützung von WikiLeaks nicht aufgegeben und weiterhin Spenden für das Projekt gesammelt. Mit dem Finanzamt Hamburg (das seit 2012 für die Stiftung zuständig ist) wurden die Grundlagen für die finanzielle Förderung und die Form der Zusammenarbeit zwischen WikiLeaks und der Stiftung abgestimmt. Die Stiftung erhielt ihre Gemeinnützigkeit zurück und die Förderung von WikiLeaks-Projekten wurde seitdem nicht mehr vom Finanzamt oder der zuständigen Stiftungsaufsicht in Frage gestellt.
Die Wau Holland Stiftung verwendet Spendengelder für WikiLeaks zur Förderung spezifischer Aspekte von ausgewählten Veröffentlichungen, d.h. für Infrastruktur-Kosten wie Server und für abgestimmte Arbeitsaufwände bei der Bearbeitung. Die Spendengelder werden unter Aufsicht der Stiftung nur gegen Rechnungen ausgegeben; dies ist in einen Rahmenvertrag zwischen der Stiftung und der Firma SunshinePress als Vertreter des WikiLeaks-Projektes festgelegt und wird seit Jahren vom zuständigen Finanzamt kontrolliert. Die persönlichen juristischen Kosten von Julian Assange werden nicht von der Stiftung getragen, sondern von einem unabhängigen Defense Fund.
Basierend auf den Vorgaben des Rahmenvertrages budgetiert WikiLeaks den Aufwand (journalistische Aufbereitung und Kontextualisierung, Recherche u.ä.) für neue Veröffentlichungen in anonymisierter Form (also ohne Verweis auf konkrete Inhalte oder geplante Publikationstermine); der Stiftungsvorstand entscheidet dann nach Veröffentlichung mit einfacher Mehrheit, ob eine konkrete Publikation durch die Stiftung finanziert wird. Tatsächlich wurden im Lauf der Zeit einige Publikationen nicht gefördert, unter anderem die Veröffentlichung der DNC- und Podesta-EMails.
Die Wau Holland Stiftung setzt sich grundsätzlich für Meinungsfreiheit ein, steht aber in keinem Zusammenhang oder in Absprache mit den Aktivitäten von Julian Assange/WikiLeaks auf Twitter oder in anderen sozialen Medien. Ein Teil des Stiftungsvorstands hat seit Sommer 2016 den Eindruck daß die öffentlichen Äusserungen von WikiLeaks auf Twitter und anderen sozialen Medien die Unabhängigkeit und Integrität in Frage stellen und damit der Reputation von WikiLeaks als journalistisches Medium nachhaltig schaden können.
Die Wau Holland Stiftung verfolgt keine parteipolitischen Ziele oder politische Agenda im In- oder Ausland und distanziert sich ausdrücklich von Tweets und Aktivitäten, die Zweifel an der Unabhängigkeit und Integrität des Projektes aufkommen lassen und den Eindruck erwecken, WikiLeaks selbst unterstütze oder sabotiere direkt politische Parteien oder Personen. Die Stiftung ist dem friedliebendem Zusammenleben der Völker verpflichtet und hält Informations-, Kommunikations- und Meinungsfreiheit für wichtige Vorraussetzungen für eine gerechte Gesellschaft.